Flechten an Bäumen sind für die meisten Menschen „grau-grüne Beläge“ auf der Rinde von Bäumen. Botanisch betrachtet gehören Flechten zu den spannendsten Organismen unserer Erde. Sie sind ein Indikator für Umweltqualität, ein wichtiger Bestandteil vieler Ökosysteme und ein faszinierendes Beispiel für das Zusammenspiel unterschiedlicher Lebensformen.
Was sind Flechten botanisch gesehen?
Flechten (wissenschaftlich: Lichenes) sind Symbiosen aus einem Pilz und einem oder mehreren Partnern aus dem Reich der Algen oder Cyanobakterien. Der Pilz bildet das stabile Gerüst und sorgt für Schutz und Halt, während die Alge (oder das Cyanobakterium) Photosynthese betreibt und so Energie liefert. Diese Lebensgemeinschaft ermöglicht es Flechten, selbst unter extremen Bedingungen zu überleben – von Felsen in Hochgebirgen bis hin zu Baumrinden in feuchten Wäldern.
Die Bildung einer Flechte beginnt, wenn sich Pilzsporen auf einer geeigneten Oberfläche niederlassen und dort auf einen passenden Algenpartner treffen. Gemeinsam bilden sie ein neues, eigenständiges Organismus-System – die Flechte.
Lebensbedingungen und Standorte von Flechten
Flechten wachsen weltweit – von der Arktis bis in die Tropen. Besonders gut gedeihen sie an lichtreichen, luftfeuchten und nährstoffarmen Standorten. Da sie keine Wurzeln besitzen, nehmen sie Wasser und Nährstoffe direkt aus der Luft auf. Das macht sie besonders empfindlich gegenüber Luftverschmutzung.
An Bäumen siedeln sich Flechten bevorzugt auf der Rinde an. Dabei spielt nicht die Baumart allein eine Rolle, sondern auch die Beschaffenheit der Rinde (pH-Wert, Struktur, Feuchtigkeit) sowie das Mikroklima des Standortes.
Flechten an Bäumen – schädlich oder unschädlich?
Vielleicht fragst du dich, ob Flechten an deinen Bäumen im Garten schädlich sind. Die klare Antwort lautet: Nein, Flechten sind völlig unschädlich.
Sie leben nicht parasitisch, sondern nutzen die Baumrinde lediglich als Wuchsunterlage (Substrat). Sie dringen weder in das Holz ein noch entziehen sie dem Baum Nährstoffe oder Wasser. Dass sie besonders häufig auf alten oder kränklichen Bäumen vorkommen, ist kein Zeichen dafür, dass sie den Baum schädigen – vielmehr zeigt es, dass der Baum lange ungestört wachsen konnte und dass die Luftqualität hoch ist.
Warum wachsen Flechten besonders an alten Bäumen?
Flechten wachsen sehr langsam – oft nur wenige Millimeter pro Jahr. Daher sind alte Bäume ideale Lebensräume:
Ihre Rinde bietet über Jahrzehnte hinweg eine stabile Oberfläche.
Das Mikroklima alter Baumrinden (raue Struktur, stabile Feuchtigkeit) fördert das Flechtenwachstum.
Alte Bäume stehen oft an ungestörten, luftreinen Standorten, wo sich Flechten optimal entwickeln können.
Flechten als Zeigerpflanzen für gute Luftqualität
Eine der wichtigsten ökologischen Eigenschaften von Flechten ist ihre Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen, insbesondere Schwefeldioxid und Feinstaub.
Da sie Wasser und Nährstoffe direkt aus der Luft aufnehmen, spiegeln sie deren Qualität unmittelbar wider.
Viele verschiedene Flechtenarten an einem Standort → Zeichen für saubere, unbelastete Luft.
Wenig oder keine Flechten → Hinweis auf Luftverschmutzung oder starke Stickstoffbelastung.
Deshalb gelten Flechten als biologische Zeigerpflanzen für gute Luftqualität und werden von Umweltforschern regelmäßig zur Überwachung der Luftreinheit eingesetzt.
Fazit: Flechten sind Freunde, keine Feinde
Flechten an Bäumen sind kein Krankheitszeichen, sondern ein Zeichen gesunder Umweltbedingungen. Sie schaden Bäumen nicht, sondern bereichern unsere Landschaft mit ihrer Vielfalt und Schönheit. Ihr Vorkommen weist auf saubere Luft, intakte Ökosysteme und naturnahe Standorte hin.
Wer also Flechten auf Bäumen in seinem Garten oder im Wald entdeckt, darf sich freuen: Sie sind ein stiller Beweis dafür, dass die Natur an diesem Ort noch im Gleichgewicht ist.
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