Auf Sven Nürnberger wurde ich von meiner Lektorin Ruthild aufmerksam gemacht. Sie berichtete mir von dem im Palmengarten Frankfurt angestellten Pflanzen-Reisenden und sofort schossen mir Gedanken von wilden Abenteuern in unberührter Natur, weitab von den Touristenströmen, und aufklärerischem Gedankengut à la Alexander von Humboldt durch den Kopf. Bisher war ich noch nie jemandem begegnet, der den Schritt aus dem Garten hinausging, um mehr oder weniger bekannte Gartenpflanzen und Pflanzenfamilien am Naturstandort aufzusuchen. Von grünem Blut war bei Sven also eindeutig auszugehen. Nach Vorgespräch und Interviewtermin wird mir das Ausmaß seiner großen Begeisterung für Pflanzen und ihre Umwelt bewusst. Neben seiner Arbeit im Palmengarten besitzt er – nur noch – zwei eigene Gärten, sowie – nur noch – einen Pflanzenbalkon, auf dem er sich ganz gezielt einzelnen Pflanzen widmen kann. Seine Leidenschaft für Pflanzen wurde ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt und so bezeichnet er seine Reisen als eine Erfüllung. Seine Art, von diesen zu berichten, wirkt bedacht und voller Bewunderung für den Erfindungsreichtum der Natur. Nach zahlreichen Exkursionen in die Karibik und auf die Falklandinseln 2007, erfüllte er sich im Dezember 2017 seinen Traum, für drei Wochen gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfram Kircher, Cristóbal Elgueta Marinovic und Klaus Oetjen das mediterrane Chile und verschiedene Vegetationstypen Patagoniens zu bereisen.
Die Welt scheint für Sven wie ein riesiger Setzkasten zu funktionieren, in den er sein Wissen als sinnliche Erfahrungen einsortiert, um so mit jeder Reise, mit jeder Beobachtung, ein wenig mehr über die Natur und ihre Zusammenhänge zu verstehen.
GB: Lieber Sven, fange ich mit meinen Fragen noch vor der Reise an: wie bereitest du dich inhaltlich auf eine Reise vor?
SN: Eine Reise plane ich im Vorfeld schon sehr intensiv. Ich habe mich dann im Idealfall bereits einige Jahre mit einem Florengebiet befasst und auch schon einen gewissen Bestand an Literatur zusammengetragen oder weiß zumindest, wo man sich bestimmte Bücher oder Infos organisieren kann. Für die Chile-Argentinien-Reise war es zudem so, dass ich im Vorfeld Kontakte zu Wissenschaftlern, Gärtnern, Pflanzen- und Ortskundigen aufgenommen habe. Prinzipiell versuche ich, mein Reiseziel mit der mir verfügbaren Reisezeit und der vor Ort bestehenden Infrastruktur in Einklang zu bringen. Stelle mir zunächst eine Wunschliste der Gebiete zusammen, die ich floristisch am Lohnendsten finde, und schaue dann, was sich mit welchem Vehikel oder auch zu Fuß erreichen lässt. Schon im Vorfeld versuche ich, die Touren anhand topografischer Karten, Wanderführer und Beschreibungen im Internet zusammenzustellen.
GB: Über welche Themen genau informierst du dich in der Literatur?
SN: Im Grunde gehe ich sehr ganzheitlich an die Sache ran. Je nach Gebiet schaue ich, welche wissenschaftliche „Papers“, Berichte oder Vorträge es gibt und was darin sowohl botanisch als auch gärtnerisch beschrieben wird. Auch sind Karten innerhalb dieser Recherche von besonderer Bedeutung. Geologische Karten und Beschreibungen geben Aufschlüsse über das anstehende Gestein und die Böden. Anhand topografischer und Verbreitungskarten kann ich mich über die Höhenzonierungen und die Vegetationstypen informieren. Zudem versuche ich, möglichst viel über die klimatischen Gegebenheiten herauszufinden und wie der jahreszeitliche Rhythmus der Vegetation mit dem Klima einher geht. Im nächsten Schritt geht es dann um die Details: Wo genau finde ich welche Pflanzengesellschaften und wie setzten sich diese dann zusammen? Welche Anpassungen haben die jeweiligen Pflanzenarten entwickelt, um sich am Standort zu behaupten? Welche Böden finde ich vor und warum entwickelte sich diese Pflanzengesellschaft ausgerechnet dort? All diese Punkte gehe ich dann meistens mit Checklisten, botanischen Reiseberichten und Florenbeschreibungen durch. Auf Online-Datenbanken schaue ich nach den Höhenverbreitungen bestimmter Taxa und vor Ort hat man dann schon eine Idee, in welchem Landschaftsabschnitt eine bestimmte Pflanzengruppe zu finden ist.
GB: Also ist jede Reise von langer Hand geplant?
SN: Es gibt auch mal spontane Touren, wie zum Beispiel die Exkursion im Juli 2014 in die spanische Sierra Nevada mit Berufskollegen. Da Thomas Eidmann die Sierra Nevada zuvor bereits intensiv bereist und entsprechende lokale Kenntnisse hatte, wusste er im Vorfeld schon, was wo zu finden sein wird. Er hat für uns die Reise geplant und wir sind für einen 4-Tage-Exkurs schnell losgeflogen. In solchen Fällen hat man auch nicht immer die Zeit, sich vor dem Abflug intensiv mit der Flora auseinanderzusetzen. ( ... ließ das ganze Interview mit Sven unter https://gruenesblut.net/manches-versteht-man-bis-man-sich-aus-dieser-welt-verabschiedet-noch-lange-nicht/)
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