„Eigentum verpflichtet.“

GRÜNES BLUT trifft den Gartenplaner und -autoren Torsten Matschiess an einem herbstlichen Freitag Anfang Oktober im Garten Alst in Brüggen.

Vielleicht ist es die Weite hier am Niederrhein, der unverstellte Blick oder doch schlicht und ergreifend das Persönlichkeitsprofil von Torsten Matschiess, was dazu führte, dass er sich nach seinem Umzug aus der Stadt hier auf dem Land dem Thema Garten mit scharfem Verstand zu widmen begann. Er schrieb darüber ein Buch mit dem Titel “Avantgardening – Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern”, hält Vorträge und ist mit Studio tm als Gartenplaner tätig.
Nach einer auffallend guten Tasse Kaffee beginnen wir in einer Regenpause unseren Rundgang durch den ehemaligen, angemieteten Maisacker, den er in einen gut 8000 m² großen Garten verwandelt hat.
Zu dieser Jahreszeit sind es Gräser, Astern, Wasserdost und Kerzenknöterich, die das Bild, aufgespannt zwischen den umgebenden Windkrafträdern, prägen. Ein Bruch, der die ganze Geschichte nur spannender macht. Geborgtes Land. Etwas Neues für die Wahrnehmung. Die aufgepflanzten Stauden, Gräser und Gehölze sind mir zum Teil unbekannt, mein Sehzentrum fühlt sich im besten Sinne angesprochen.
Der Eindruck, es unter den ziehenden Wolken mit einer Naturgewalt zu tun zu haben, steht im Kontrast zum geistigen Unterbau des Garten Alst: Nachdem die strukturellen Gegebenheiten, wie Boden, Klima, Vorgeschichte und umgebende Landschaft, beurteilt wurden, galt es, auch die zur Verfügung stehende Arbeitskapazität auszuloten; angesichts des Staudenmeeres verblüfft die Information, der Garten werde gemeinsam mit der Lebensgefährtin im Wesentlichen allein am Wochenende bewirtschaftet. Alle acht Meter wurden Wege aus Holzhäcksel angelegt; mit Absicht nicht baulich, so dass das Gelände jederzeit auch wieder in die Landwirtschaft rückgeführt werden kann. Kein Handgriff, keine planerische Maßnahme scheinen dem Zufall überlassen und voller Respekt vor Flora und Fauna mit viel Verstand bedacht und abgewogen worden zu sein.
Ich freue mich, Torsten zu seinen gärtnerischen Anfängen, seinem planerischen Vorgehen, dem Klimawandel und der deutschen Gartenkultur befragen zu dürfen.

GB: Torsten, du giltst als Querdenker der gegenwärtigen Gartenszene, dein Buch Avantgardenig wird von Gärtnern und bekannten Planern bei Vorträgen und in den sozialen Medien gelobt. Dein Anliegen ist es, die Gartenkultur in Deutschland hoch zu halten. Wieso in aller Welt willst du eigentlich keine Gartenklamotten anziehen?

TM: Weil ich, zugegeben, zum einen etwas eitel bin und selbst bei der Gartenarbeit einen gewissen Chic – versteht man das Wort überhaupt noch? – pflege. Ich bewahre mir so auch die Illusion, dass es sich bei der Gartenarbeit gar nicht um eine solche handelt. Gartenklamotten sehen so nach Vorsatz aus, während nur eine Rosenschere in der Tasche des Hausmantels am Morgen durchaus noch Platz für einen Funken Hedonismus in der anderen Tasche lässt.

GB: In der einen Hand die Schere, in der anderen vielleicht ein Espresso?

TM: Die Schere vergesse ich auch schon mal. Das ist übrigens ein kubanischer Kaffee, der hier in Kempen geröstet wird. Ich vermute mal, nur wir bereiten ihn wie einen Espresso zu.

GB: Gab es eigentlich einen Auslöser dafür, dass du, nachdem deine Lebensgefährtin und du 2004 aufs Land gezogen seid, dachtest: Irgendwas mit der Gartenkultur in Deutschland läuft schief und ich werde mich beruflich einbringen, um daran etwas zu verändern? Wie wurde sozusagen aus Spaß Ernst?

TM: Super Frage, wenn zum Größenwahn keine Berührungsängste vorliegen!
Aber im Ernst, es waren kurze Momente, Impulse und einige Menschen, die bei mir den Wunsch auslösten, selber Gärten anzulegen. Sehr inspirierend waren zum Beispiel Gespräche und Spaziergänge mit Klaus Oetjen, dem Leiter des Botanischen Gartens Alpinum Schatzalp bei Davos. Es ist ein Wahnsinn, was dort für ein herrlicher Garten entstanden ist und ich wünsche mir sehr, dass er endlich mal ein Buch über seine Erfahrungen und sein Wissen schreibt. Manchmal reicht es schon, nur eine Pflanzung oder einen Garten zu sehen, um die Inspiration ihrer Schöpfer zu spüren. So besuchten wir einmal einen Garten – einen der wenigen, – den Henk Gerritsen angelegt hatte. Das war schon ein toller Augenblick und immerhin führte uns dieselbe Reise noch nach Rousham. Es gab aber auch ein paar echte Gärtner-Freunde, die mich warnten, dass eine Begeisterung auch schnell abnehmen kann, wenn man ihr beruflich nachgeht. Hilfreich sind aber ständige Updates, wie Treffen mit Gleichgesinnten oder Besuche von tollen Pflanzungen, wie in diesem Jahr die Arbeit Gräserband von Ingrid Gock auf der IGA Berlin oder die Pflanzung von Petra Pelz in Ahrensburg. Zeig mir mal Planungen, die nach sieben Jahren noch so top draufstehen!

GB: Der Austausch mit Gleichgesinnten ist gewinnbringend, aber wie sieht es flächendeckend mit der Begeisterung für Gärten aus? Was denkst du über die Gartenkultur hierzulande?

TM: Zur Gartenkultur in Deutschland fällt es mir schwer, etwas Nettes zu sagen. Guck dir alleine die Medien an, wie zum Beispiel im TV über das Thema berichtet wird. Nur Eisenbahner- und Meerestiersendungen kommen noch langweiliger daher. „Wann muss ich meinen Rhododendron schneiden, wann dünge ich meinen Rasen oder wann muss ich ihn vertikutieren?“ Man will es kaum glauben, aber eine richtige Antwort könnte auch mal lauten: Nie! (... ließ das ganze Interview mit Torsten unter https://gruenesblut.net/eigentum-verpflichtet/)

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